Wenn man in einer Organisation versucht, Freie Software einzuführen, konzentriert man sich schnell auf die Argumente, dass Freie Software besser, sicherer oder wirtschaftlicher sei. Das mag alles stimmen, wobei der Nachweis im Einzelfall immer schwierig bleibt, da sich zu einer Studie oft eine andere Studie finden lässt, die das Gegenteil belegt.
Wer über Freie Software redet, hat wir implizit auch ein bestimmtes Menschenbild im Hinterkopf, denn Software, ob frei oder nicht, wird von Menschen für Menschen gemacht. Da Software kein materielles Gut ist, lässt sie sich verlustfrei beliebig oft teilen. Wem geben wir sie weiter – unter welchen Bedingungen, wem enthalten wir sie vor? Was sagt das Weitergeben oder Nicht-Weitergeben über uns als Menschen aus?
„Wenn eine Sache nicht gemindert wird, da man sie mit anderen teilt, ist ihr Besitz unrecht, solange man sie nur allein besitzt und nicht mit anderen teilt.“ – so Augustinus in Bezug auf die christliche Unterweisung. Dieses Zitat ist auch Motto der FSFE, denn was Augustinus hier fordert, lässt sich aber auch auf andere immaterielle Güter übertragen, so dass Augustinus zu einem Advokaten für Open Educational Resources (OER), Open Data und auch Freie Software wird.
In der Entwicklung zur Informationsgesellschaft wird der Umgang mit Information zur Schlüsselfrage: Teilen wir Information, Wissen, Lehr- und Lernmittel, Code, Algorithmen, Daten frei oder kontrollieren wir sie, verbergen sie, horten sie, sammeln sie ein und geben sie nur weiter, wenn wir Gegenleistungen, Geld dafür erhalten.
Am Teilen entscheidet sich die Entwicklung der Informationsgesellschaft. Egoismus oder Nächstenliebe beim Einzelnen, Profitstreben oder Gemeinwohlorientierung als Grundlage der Wirtschaft, es hängt am Menschenbild, welche Vision wir von der Informationsgesellschaft haben, in der wir leben wollen und werden.
Informationen zur Person
Ralf Peter Reimann ist Pastor und Diplom-Infomatiker. Er ist Internetbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland und bloggt unter theonet.de.